Asphalt-Cowboy - Nachsicht für Jürgen Max Johann
Er beschäftigt Juristen, Psychologen, Philosophen, Mediziner, Politik und Feuilleton - der Begriff der Schuldfähigkeit.
Sein Bedeutungsspektrum betrifft die Frage, was jemandem nachgesehen werden muß oder soll oder darf, wenn Überschauungspotential und moralische Reife (noch) nicht adäquat entwickelt sind sowie das Phänomen, daß - volkstümlich formuliert - jemand aus lauter Dämlichkeit im strafrechtlichen Sinne nicht haftbar ist für sein Handeln, wo's ihm verantwortlich nicht zuzurechnen wäre, und nicht zur Rechenschaft gezogen werden mag.
Der Diskurs beansprucht selbstverständlich auch im Moorweger Märchenland noch gar manche Differenzierung und Nuance, nämlich:
„Weisungsgemäß und ohne Vorsatz handelte“ der Moorweger Gemeinderabeiter (als dortiger Ratsherr sich selber vorgesetzt), als er die Asphaltüberschüsse des Vorjahres tief und tiefer ins Unterholz verschob und dem Chronisten, der ihn ertappte, den Stinkefinger zeigte.
Man kennt diese Moorweger Zufälle, Zaubereien und Schicksalswinke: Da ist die empfindliche Asphalttaste am Gemeindetrecker und kommt man da versehentlich dran, schnurrt schon das ganze Verklappungsprogramm selbständig los: Lader runter, Schub in Graben und Unterholz, Palaver-Licht an und weg, 3 mal binnen 6 Wochen...
„Weisungsgemäß und ohne Vorsatz“, diese Paarung also aus „Versehen“ und „qua hoppla“ gebot daher nachvollziehbar: „Das Verfahren gegen den Gemeindearbeiter wurde eingestellt“, so schreibt die Staatsanwaltschaft Aurich am 17.02.2016 in Sachen NZS 410 Js 23673/15, Ermittlungsverfahren gegen Jürgen Max Johann Schröder u.a.
Überraschend anders hingegen die einschlägige Erhellung „hinsichtlich des o.g. Bürgermeisters“, der die Verklappungsweisung erteilte, das öffentlich bezahlte Reparaturmaterial bis tief ins Unterholz hinein unbrauchbar machen und nach mehreren Beseitigungsaufforderungen das jeweils noch tiefer reinschieben ließ. Von Ermittlungen wisse er nichts, log er öffentlich in der Lokalpresse und patzte gegen die Polizeibehörde, die mache „aus einer Mücke einen Elefanten“, was für ihn „unvorstellbar“ sei.
Die Staatsanwaltschaft erwiderte scharf: „Es ist schließlich anzunehmen, dass die Unannehmlichkeiten des Ermittlungsverfahrens eindrucksvoll vor Wiederholungen gewarnt haben“ und führt in der so zugeschriebenen Kompetenz für Kleininsekten und Großsäuger weiter aus, daß „kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht“, auch wenn vereinzelte Moorweger Bezahl-Bürger das anders sehen mögen, da sie sich, je nach Ausstattung, wahlweise Vorderachse oder Oberschenkelhals brechen in den Schlaglöchern, die seit April 2015 auf jenen Reparaturasphalt warten, den der Bürgermeister ins Unterholz hatte schieben lassen.
Mit der staatsanwaltlichen Diagnose, es mangele „an einer für den Beschuldigten erkennbaren Umweltgefährdung“, ließ er sich dann Kenntnisstand, Schuldfähigkeit und Erfassungspotential eines 6-jährigen attestieren, die im Kontext des mangelnden öffentlichen Interesses an der Retardierung des Ortsvorstehers eine Steilvorlage abgeben dürften für andere mutwillige Bürgermeister der Esenser Mitgliedsgemeinden. Möglicherweise fällt es da manchem gar nicht schwer, eine infantile Wahrnehmung der Verhältnisse zur Schau zu tragen.
Nachahmer aber sollten zudem darauf achten, bei Rechtsverletzungen stets als Amtsperson aufzutreten, da ein öffentliches Interesse daran wohl absehbar erlischt, während - im Umkehrschluß - der Privattäter etwa mit der ganzen Bürde des aufflammenden öffentlichen Strafverfolgungsinteresses und harter Ahndung zu rechnen hätte.
Das verneinte öffentliche Interesse übrigens führte alsdann dazu, daß die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Aurich den Einstellungsbeschluß der Presse bekanntgab und erläuterte.
Einst gab es die Anregung, das Moorweger Wappen um den Stinkefinger zu ergänzen; sie soll hiermit eine hübsche Erweiterung erfahren:
Die Harlinger-Gerichtsreporterin Martina Ricken empfiehlt in ihrem heutigen Bericht dem Jürgen Max Johann zur Ertüchtigung seines Weltbildes die sehr lehrreichen Kindersendungen „Löwenzahn“ von Peter Lustig - dies dankend aufgreifend sollte in der nächsten Gemeinderatssitzung, wo der Bürgermeister alle vier Wochen die Erwachsenenwelt simuliert, angeregt werden, auch den Löwenzahn mit ins Moorweger Wappen aufzunehmen.
Moorweg, 27.02.2016
Jürgen Lohs