Doch die Stadt Esens weigert sich. Durch ihren Rechtsbeistand, einen Professor für Umweltrecht, hat sie dem Eigentümer mitteilen lassen, dass sie keinesfalls an Rückbau denkt. Die Kommune spielt offenbar auf Zeit und setzt darauf, dass die Straße nach einer Neuabgrenzung des dortigen Vogelschutzgebiets doch noch zu retten ist. Das wiederum will der Eigentümer nicht hinnehmen. „Dann werden wir eben wieder vor Gericht ziehen“, kündigt der Dortmunder im Gespräch mit dem WESER-KURIER an.
Damit erreicht die seit etlichen Jahren währende Posse um die Umgehungsstraße eine neue Eskalationsstufe. 2011 ging die fast neun Millionen Euro teure Piste, die in einem Bogen um das beschauliche Hafen- und Ferienörtchen Bensersiel führt, in Betrieb. Im Frühjahr 2014 erklärte das Bundesverwaltungsgericht auf Klage des Grundeigentümers den zugrunde liegenden Bebauungsplan wegen schwerer Versäumnisse beim Vogelschutz und Verstöße gegen EU-Richtlinien für null und nichtig.
Im Februar dieses Jahres zog das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg nach und hob auch die Flurbereinigung, die dem Eigentümer die Befugnisse über seine 14 Hektar Grund und Boden entzogen hatte, als rechtswidrig auf. Auf Weisung des OVG wies das zuständige Amt für regionale Landesentwicklung den Dortmunder zum 1. August wieder in „Besitz und Nutzung“ seiner Flurstücke ein: Er kann, jedenfalls theoretisch, frei darüber verfügen. Aber der Pächter des Bauernhofes kann immer noch nicht seine landwirtschaftlichen Flächen, die von der Asphalt-Piste durchschnitten werden nutzen.
(Weser-Kurier)
Alle Bemühungen, sich in dem Konflikt gütlich zu einigen, sind gescheitert. Von einer Kauf- und Entschädigungssumme über vier Millionen Euro für den Eigentümer war zwischenzeitlich die Rede. Stadtdirektor Hinrichs hatte bereits bekundet, der kommunale Haushalt lasse dies bei Ratenzahlung zu. Man sei jedenfalls vergleichsbereit. Der Eigentümer jedoch widerspricht: Es habe kein einziges ernsthaftes Angebot seitens des Rats gegeben. „Auch für die Nutzung unseres Grundstücks haben wir keinen einzigen Euro gesehen.“
Bei einem gerichtlich erzwungen Abriss könnte es für die Stadt deutlich teurer werden. Auf vier bis fünf Millionen Euro werden allein die Rückbaukosten taxiert. Darüber hinaus drohen möglicherweise Rückforderungen des Landes wegen der für den Bau der Straße geflossenen öffentlichen Zuschüsse. Esens setzt seine Hoffnung daher auf ein komplett neues Planungsverfahren, einschließlich neuem Bebauungsplan, neuer Flurbereinigung und neuer Betrachtung des Naturschutzes.
Im Frühjahr hatte Niedersachsens rot-grüne Landesregierung eine kleine Ausweitung des Vogelschutzgebietes zugunsten von Blaukehlchen, Nonnengänsen und Wiesenweihen beschlossen. Dieses soll wie auch zwei neue Landschaftsschutzgebiete des Kreises Wittmund zunächst über die Straße „gestülpt“ werden, um die EU milde zu stimmen. Ist dies erfolgreich vollzogen, soll die Straße später als Ausnahme wegen wichtiger öffentlicher Belange wieder aus dem Schutzstatus „herausgesägt“ werden. „Fragwürdig und perfide“ nennt Umweltschützer Manfred Knake vom Wattenrat diese Trickserei. Für bestehende Projekte sei das laut EU-Recht gar nicht möglich. Eine Ansicht, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Bensersiel-Urteil bestätigt hat, als es die nachträgliche Meldung als Schutzfläche durch den damaligen FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander kippte.